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Israel-Matinée im Bad

Im Kontext der

«Monsterlesung»
(21. Oktober 2020 bis 10. Januar 2021)

wurde das Gesamtwerk von Friedrich Dürrenmatt im Museum Strauhof und im Max Frisch Bad vorgetragen.

Am 29. November lasen wir auch Dürrenmatts «Israel-Essay» vor. Der Text wurde in diesen Tagen mit antisemitischen Verschwörungstheorien in Teilen der Kulturszene und in der rechtsesoterischen Corona-Skeptiker:innen-Bewegung assoziiert. Also wäre es falsch und vielleicht sogar gefährlich, diesen Text von Dürrenmatt ohne Kontextualisierung vorzutragen. Deshalb wurd die Lesung in eine Diskurs-Veranstaltung mit Expert:innen eingebettet.

Moderation:

SILVIO BAVIERA
Schriftsteller, Künstler, Galerist, Museumsmacher und Verleger

Eingeladene Expert:innen:

PHILIPP THEISON
Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft am Deutschen Seminar der UZH

KAREN ROTH-KRAUTHAMMER
Präsidentin von Omanut, dem Verein zur Förderung jüdischer Kunst in der Schweiz

Wir nahmen den Essay von Dürrenmatt zum Anlass, den Problematiken neo-rassistischer, antisemitischer Sichtweisen nachzugehen und untersuchten diese unterschwelligen Meinungen, die auch in der Kulturszene existieren. Gleichzeitig sollte der sprachlich kräftige «Essay über Israel» zum Leuchten gebracht werden. Mit Silvio Baviera gewannen wir einen idealen Gastgeber für dieses Thema. Die Schauspieler:innen Wanda Wylowa, Urs Jucker und Lara Körte lasen je drei Ausschnitte aus dem Essay (jeweils zehn Minuten), worauf die eingeladenen Expertinnen kurze Impulsreferate hielten. Am Ende konnte sich auch das Publikum in den Diskurs einbringen. Mit diesem Anlass eröffneten wir offiziell den Winterbetrieb der «Corona-Stage» im Max Frisch Bad: Mittels Funkkopfhörern wurden die Veranstaltungen live gestreamt, das Publikum hielt sich im Freien auf, konnte durch den Park spazieren und sich die Beiträge anhören. So wurden „Publikums-Cluster” vermieden und Abstände eingehalten. Nach der Veranstaltung wurde ab 13:00 Uhr der gesamte Israel-Essay ungekürzt vorgetragen und der Künstler Johannes Lortz reflektierte den Text künstlerisch im Kunstraum des Kulturverein KULT- Maxfrisch Kunstbad.

«Es gibt Erkenntnisse, die deshalb spät kommen, weil sie Erlebnisse voraussetzen, denen wir im Erleben nicht gewachsen sind. Das Erlebnis Israels war ein solches.» Friedrich Dürrenmatt, 1976

Nachdem Friedrich Dürrenmatt 1976 seinen «Essay über Israel» in Israel vorgetragen hatte und danach – wegen der Überforderung, die der Besuch des Landes in ihm auslöste – mehrfach überarbeitete, schrieb der berühmte Hans Mayer über Dürrenmatt in der ZEIT:

«Friedrich Dürrenmatt ist im Augenblick nicht besonders berühmt.

“Der Verfasser jener unvergessbaren «Panne», der Parabeln vom «Besuch der alten Dame», vom «Engel», der nach Babylon kam, auch von den drei geistig gesunden «Physikern» im Irrenhaus hätte mit schwerer Krankheit zu kämpfen; dann misslangen ein paar Arbeiten. Nun war er, wie es die liebevolle Metapher neuerdings auszudrücken pflegt, «weg vom Fenster». Der Staat Israel hingegen bleibt im Gespräch, aber auch da hat sich eine schroffe Wandlung vollzogen. Die «neueste Stimmung im Westen», wie einer recht höhnisch solche Modeschwankungen benannte, trägt Israel nicht mehr: im doppelten Wortsinne.” (DIE ZEIT, 9. April 1976)